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Faszientraining (Faszien Fitness)

Gerade dieser universelle Baustoff, welcher den ganzen Körper in einem endlosen und kontinuierlichen Netz durchzieht, alle Organe umgibt und den Organismus in seiner schönen Körperform erhält wie kein anderes Gewebe, scheint eine entscheidende Rolle für Beweglichkeit, Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Gesundheit zu spielen. Das Fasziengewebe, welches sehr lange in der Forschung ein "Aschenputteldasein" fristete, von berühmten Pionieren aus der Welt der Osteopathie oder dem Rolfing aber schon seit vielen Jahren mit großer Wichtigkeit beachtet wurde, überträgt vermutlich die Kraft der Muskeln, dient als "sechster Sinn" bzw. Sinnesorgan sowie als großer Wasserspeicher. Es sorgt für Schutz und Stoffaustausch der inneren Organe, ist ein wichtiger Bestandteil der Immunabwehr, prägt unsere Bewegungswahrnehmung sowie unser eigenes Körperbild und Körperschema, tauscht sich mit dem Nervensystem aus und kann bei der Entstehung von Schmerzen eine entscheidende Rolle spielen. Es reagiert stets auf Belastungen und Anforderungen und passt sich an. So müsste es eigentlich "Faszienkater" und nicht Muskelkater heißen, da das muskuläre Bindegewebe, neuesten Erkenntnissen folgend, die Schmerzen nach hohen sportlichen Belastungen zu verursachen scheint. Bei unspezifischen Rückenschmerzen, die etwa 80-90 % aller Rückenbeschwerden ausmachen, nimmt man ferner an, dass kleine Risse in der Rückenfaszie sehr häufig die Schmerzen verursachen können. Die Forschung um die Faszien trägt mittlerweile solch große Ausmaße, dass seit 2007 Weltkongresse zur Faszienforschung stattfinden, bei denen sich die führenden Köpfe aus Therapie und Wissenschaft treffen.

Behandlung anhand des Faszientrainings

Durch den viel zu häufigen Bewegungsmangel und auch einseitige Haltungen, gepaart mit großer stressbringender Arbeitsverdichtung in der heutigen Zeit, neigen die Faszien wahrscheinlich dazu zu "verkleben" und zu "verfilzen". Sie können spröde werden und sogar reißen. Man vermutet, dass so schmerzhafte Zustände, Einschränkungen der Beweglichkeit aber auch Koordinationsstörungen entstehen können. Psychischer Stress und die mit ihm vermehrte Ausschüttung bestimmter Botenstoffe führt zu starken Anspannungen in den Faszien, die tatsächlich über Zellen verfügen (Myofibroblasten), die unter dem Einfluss dieser Stoffe ähnlich wie Muskelzellen es vermögen sich zusammenzuziehen.

Basierend auf den wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen ist um den Ulmer Faszienforscher Dr. Robert Schleip ein Trainingskonzept entstanden, dass diese in die Trainingspraxis umsetzt. Ein solches spezielles Faszientraining, zweimal in der Woche für etwa 10 Minuten durchgeführt, scheint schon zu genügen, um viel Gutes für seine Faszien tun zu können. Es lässt sich mühelos in ein anderes Trainingsprogramm integrieren. Wichtig ist es aber sehr beharrlich zu trainieren, da das Bindegewebe sich zwar ständig aber auch sehr langsam erneuert. Nach einem Jahr ist ca. die Hälfte der bindegewebigen und zugfesten Kollagenfasern ausgetauscht. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass einmal gewonnene Verbesserungen länger anhalten. Da die Fähigkeit Wasser zu binden im Alter deutlich nachlässt und damit zunehmende Steifigkeit und Faltung im Gewebe einhergehen, gewinnt das Training hier zunehmend an Bedeutung. Dieses Training, für dessen Wirkungen ausreichende wissenschaftliche Nachweise noch fehlen, erhebt keinesfalls den Anspruch, klassische Trainingsformen, welche die Herz-Kreislauf-Ausdauer oder etwa die Muskelkraft verbessern sollen, zu ersetzen. Nein, das gezielte Training der Faszien dient lediglich der sinnvollen Ergänzung dieser bewährten Trainingsformen und stellt eine bislang fehlende Komponente dar. Sie benötigen jedoch eine spezielle Stimulation und es sollten das ganze Fasziennetzwerk und seine langen Zugbahnen erfasst werden. Schon wenige Übungen könnten voraussichtlich der "Wartung und Pflege des Fasziennetzwerks" dienen - frei nach Erich Kästner "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es".

Ich habe 2012 die Weiterbildung zum Fascial Fitness Trainer nach dem Original der Fascial Fitness Association (FFA) bei Markus Rossmann abgeschlossen sowie 2016 die Level 1 und 2 zum Funktionellen Faszientrainer bei Edo Hemar.

Beim Faszientraining kommen 4 Grundkomponenten zum Einsatz

1. Beleben-Versorgen-Lösen (Fascial Release):

Das Beleben der Faszien kann durch eine Art Selbstmassage geschehen, bei der spezielle Rollen, Kugeln und Bälle zum Einsatz kommen. Leichte und angenehme "heilsame" Schmerzen dürfen dabei empfunden werden. Schmerzarealen widmet man sich etwas ausgiebiger und verharrt auf diesen Punkten bis sie sich zu lösen scheinen. Zudem kann man das Gewebe über Gelenkaktionen in Bewegung setzen. Die langsamen Rollungen finden längs und quer zum Gewebe statt. Man kann am Boden aber auch an der Wand oder am Tisch Übungen durchführen. Nach aktuellem empirischen Wissensstand können der Druck und entstehende Scherkräfte zur Lösung von "Verklebungen" beitragen. Nach dem sogenannten Schwammeffekt wird das Gewebe wie ein Schwamm ausgepresst und in der Folge mit frischer Flüssigkeit wieder aufgefüllt. Vor Wettkämpfen ist die Geschwindigkeit höher zu wählen. So kann man sich erklären, das die Übenden häufig nach dem Training ein belebtes und befreites Gefühl äußern.

2. Dehnen (Fascial Stretch):

Faszien scheinen es zu lieben in alle Richtungen gezogen und gedehnt zu werden. Die Bewegungsausmaße der Gelenke sollten komplex und voll ausgeschöpft werden. Es wird in langen Muskel-Faszien-Ketten gedehnt und es werden verschiedene Kraftrichtungen ausgenutzt. Die Muskeln werden in langgedehntem Zustand immer wieder aktiviert was die Effektivität der Mobilisation entscheidend zu verbessern scheint.

3. Federn (Rebound Elasticity):

Federnde Übungen wie Hüpfen oder Schwingen des Oberkörpers regen wahrscheinlich die elastische Speicherfähigkeit in den Faszien an, die so wichtig für die Grundfunktion Bewegen ist. Nur elastisch federnde Bewegungen lassen die Sehnen wie Federn arbeiten, während die Muskeln in ihrer Länge stabil bleiben. Eine sinnvolle Variante ist die Vorspannung, also eine leichte Gegenbewegung, in der die Sehnen und Faszien mit Kraft aufgeladen werden. So trainiert man gezielt den sogennanten Katapult-Effekt bzw. Elastic Recoil, bei dem Faszien kurzfristig Energie speichern und schnell wieder abgeben wie ein gespannter Bogen. Nur so scheint sich in der Tierwelt der Sprung eines Frosches oder einer Antilope und im Sport etwa der Speerwurf zu erklären. Diese Leistungen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt biomechanisch nicht mit reiner Muskelkraft erklärbar. Im Alltag spielt dieses Phänomen eine große Rolle, z.B. wenn der Mensch sich bücken muss oder beim Heben von Gegenständen.

4. Spüren (Sensory Refinement):

Man vermutet, dass die Körpereigenwahrnehmung hauptsächlich über die Faszien abläuft, welche eine Menge an Nervenendigungen besitzt, die die in den Muskeln um das sechsfache übertrifft. Diese Rezeptoren geben eine Rückmeldung über die Bewegung und die Lage des Körpers im Raum an das Gehirn. Sportliche Leistungen, aber auch Gesundheit und Wohlbefinden, scheinen von einem gut funktionierendem "6ten Sinn" abhängig zu sein. Ein verbessertes Körperselbstbild ist ein wichtiges Phänomen, welches v.a. in der Psychologie sehr beachtet wird, da es bei einer großen Menge psychologischer Störungen verändert ist. Unter dem Begriff "Embodiment" gibt es dazu sehr viel Forschungsliteratur. Im Faszientraining übt man das Spüren über Sinnlichkeitsimpulse und Wahrnehmungsübungen, die die Körpersinne schärfen sollen. So konzentriert man sich auf kleine Bewe-gungen, feine Änderungen der Lage oder der Richtung und lotet diese genussvoll aus. Gerade in chronischen Schmerzarealen sollte damit gearbeitet werden, da Forscher von einer "sensomotorischen Amnesie" in diesen Gebieten ausgehen, die das chronische Schmerzbild evtl. unterhalten kann. Sanfte und bewusste Bewegungen sowie taktile Reize in Schmerzgebieten können z.B. bei der Behandlung chronischer Rückenschmerzen sehr wichtig sein. Wahrnehmungen wie eine vertiefte und verlangsamte Atmung, eine angenehme Wärmentwicklung oder aber das Gefühl von Weite können weitere spürbare Veränderungen sein.

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Wichtiger Hinweis:
Dieser Text dient ausschließlich der allgemeinen Information. Er kann in keinem Fall den persönlichen Kontakt mit einem Therapeuten ersetzen, wenn Sie Beschwerden haben. Er dient auch nicht als Grundlage zur Eigentherapie. Ich rate ausdrücklich davon ab, stehe Ihnen bei weiteren Fragen aber gerne zu einem persönlichen Gespräch in meiner Praxis zur Verfügung. Ferner weise ich ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei dieser Therapiemethode um eine Erfahrungsmedizin handelt. Es besteht keine relevante Anzahl von gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen, d.h. evidenzbasierten Studien, die die Wirkung bzw. therapeutische Wirksamkeit belegen. Ein Erfolg der Behandlung bzw. des Trainings kann daher nicht in jedem Fall der Anwendung gewährleistet werden.Im Einzellfall kann eine therapeutische Anwendung auch nicht angezeigt sein, obgleich Anwendungsbeispiele aufgeführt werden.